Für die Studie benutzten die Forschenden unter anderem MRT-Geräte.

Früherkennung für Lungenkrankheit

Winzige Markierungselemente könnten die Früherkennung vieler Krankheiten verbessern. Am Werner Siemens Imaging Center in Tübingen haben Forschende zum Beispiel gezeigt, dass sich mithilfe solcher Tracer Lungenfibrose schon im Frühstadium erkennen lässt.

Eine Vernarbung der Lungen – so könnte man das Krankheitsbild der Lungenfibrose umschreiben. Lungenfibrose ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, europaweit geht man von ungefähr 750‘000 Betroffenen aus. Die Ursachen sind oft schwer zu bestimmen und reichen von Infektionen über Schadstoffe bis zu Medikamenten-Nebenwirkungen. Die Verläufe sind unterschiedlich. Gemein ist ihnen, dass Bindegewebe in der Lunge zu verhärten und zu vernarben beginnt. In der Folge fällt den Patientinnen und Patienten das Atmen immer schwerer.

«In manchen Fällen stagniert die Gewebeverhärtung irgendwann, in anderen schreitet die Fibrose immer weiter voran», sagt Nicolas Bézière, Gruppenleiter am Werner Siemens Imaging Center in Tübingen. Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Lungenfibrose betrage bloss fünf Jahre. Auch, weil sich momentan die Erkrankung erst spät nachweisen lässt – wenn sich auf Röntgen- oder Computertomografie-Bildern Veränderungen im Gewebe zeigen. Für eine wirksame Behandlung ist es dann meist zu spät. «Die zur Verfügung stehenden Medikamente verlangsamen die Bindegewebebildung bloss», sagt Bézière. Als letzte Option bleibt eine Lungentransplantation.

Marker für Vorgänge im Körper

Bézière sucht deshalb nach Methoden, um frühzeitigere Diagnosen zu stellen. Dabei konzentriert er sich auf ein System, mit welchem das Werner Siemens Imaging Center viel Erfahrung hat: dem Einsatz von sogenannten Radio-Tracern. Dabei handelt es sich um radioaktiv markierte Moleküle, die in einen lebenden Organismus gebracht werden. Je nach Art des Moleküls werden diese Tracer von bestimmten Zellen aufgenommen oder vom Körper für bestimmte Stoffwechselvorgänge benutzt. Mittels bildgebender Methoden wie PET-Scannern lassen sie sich im Gewebe nachweisen.

Bézières Team benutzte für seine Lungenfibrose-Arbeit einen Tracer, der mit einem Kupfer-Isotop versehen ist, dessen Atomkern mit der Zeit zerfällt und winzige Mengen radioaktiver Strahlung freigibt. Seine Gruppe hatte schon früher gezeigt, dass dieses Molekül namens 64Cu-GPVI-Fc sich an neu entstehendes Bindegewebe heftet. Diesen Tracer testeten die Forschenden nun in einem Mausmodell, bei dem eine Lungenfibrose ausgelöst wird.

Tatsächlich konnten die Forschenden die Entwicklung der Fibrose in den Mäusen anhand des Tracers nachverfolgen. In ihrer kürzlich im Fachmagazin «The Journal of Nuclear Medicine» publizierten Studie zeigen sie, wie die Mäuse-Lungen den Tracer mit wachsender Vernarbung aufnehmen. «Wir haben gesehen, dass unser Ansatz früh und gut funktioniert», sagt Bézière. Er ist zuversichtlich, dass sich so dereinst Lungenfibrose auch im Menschen früher nachweisen lässt als mit bisherigen Methoden.

Noch raschere Diagnose

Der nächste Schritt wäre nun, zu untersuchen, ob die Früherkennung auch zu einem grösseren Therapieerfolg verhilft. Dazu, sagt Bézière, müssten neue Experimente stattfinden, bei denen die Tracer-Erkennung kombiniert wird mit einer Medikamenten-Behandlung.

Sein Team hat aber noch einen zweiten Pfeil im Köcher. Es handelt sich um einen anderen Biomarker, der anzeigt, wenn in einem Gewebe die sogenannte Zellseneszenz einsetzt – also wenn Zellen aufhören, sich zu teilen, aber metabolisch aktiv bleiben. Die Tübinger Forschenden haben Erfahrung mit Seneszenz-Markern, vor allem in der Krebsforschung. Man wisse, dass seneszente Zellen auch bei der Entwicklung von Fibrosen eine Rolle spielten, sagt Bézière. Die bisherigen Arbeiten seines Mitarbeiters Simon Isser deuteten darauf hin, dass sich mit einem solchen Tracer der Ausbruch einer Lungenfibrose sogar vor der Ausbreitung von Bindegewebe nachweisen lässt.

Entzündungen und Pilzinfektionen

Lungenfibrose ist nicht das einzige Einsatzgebiet der Tracer-Methode, das Bézières Forschungsteam bearbeitet. Ein anderes sind Früherkennungsmethoden für Arthritis, also Gelenksentzündungen. Ein dritter Forschungszweig sind Infektionserkrankungen. In einer vor zwei Jahren im renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie, zeigten Bézière und sein Team etwa, dass sich mit einem Antikörper-gesteuerten Bildgebungsverfahren die pulmonare Aspergillose frühzeitig nachweisen lässt.

Aspergillose ist eine Pilzinfektion der Lunge, die für Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine grosse Gefahr darstellt. Die Diagnose ist oft schwierig. Nötig sind bisher hochinvasive Techniken wie Lungenbiopsien, welche für die Patientinnen und Patienten unangenehm sind. In der Studie wiesen die Forschenden den Nutzen ihrer Methode in einem Mausmodell nach, inzwischen haben sie den neu entwickelten Tracer auch bei ersten Patientinnen und Patienten getestet. «Das Prinzip funktioniert, aber es braucht noch Optimierungen», fasst Nicolas Bézière zusammen. Man darf gespannt sein darauf.


 

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