Eines der beiden topmodernen Rastertunnelmikroskope im neuen «CarboQuant Lab».

Quanten­sprünge im

neuen Labor?

Das Projekt CarboQuant an der Empa wird künftig die quantenmagnetischen Zustände seiner Kohlenstoff-Materialien genauer denn je untersuchen und manipulieren können. Möglich macht es ein neues, hochspezialisiertes Labor, zu dessen Finanzierung die Werner Siemens-Stiftung massgeblich beigetragen hat.

Spitzenforschung benötigt modernste Apparaturen. Das gilt insbesondere für wissenschaftliche Felder wie die Quantenphysik. Denn quantenmechanische Eigenschaften von Materialien und Molekülen sind hochkomplex, fragil – und zeigen sich erst auf winzigen Skalen. Deshalb sind die zwei neuen, topmodernen Rastertunnelmikroskope, die im Ende Januar eröffneten «CarboQuant Lab» an der Empa in Dübendorf (Schweiz) stehen, ein Meilenstein für das von der Werner Siemens-Stiftung geförderte CarboQuant-Projekt.

Yujeong Bae und Stepan Kovarik stehen an einem der Mikroskope und diskutieren eine letzte Feineinstellung. Bae leitet die Gruppe für Quantenmagnetismus am nanotech@surfaces Labor an der Empa, Kovarik arbeitet als Post-Doktorand in ihrer Gruppe. Die beiden haben in den letzten Monaten die Rastertunnelmikroskope eingerichtet und betriebsbereit gemacht. Nun kann die Forschung beginnen – die detaillierte Erkundung der quantenphysikalischen Eigenschaften sogenannter Nano-Graphene.

Nano-Graphene sind Nanometer-grosse Stückchen des zweidimensionalen Kohlenstoff-Materials Graphen. Dieses hat mehrere herausragende Eigenschaften: Es ist nicht nur härter als Diamant, extrem reissfest und undurchlässig für Gase, sondern auch ein ausgezeichneter elektrischer und thermischer Leiter. «Vor einigen Jahren stellten wir zudem fest, dass bestimmte Nano-Graphene auch magnetische Eigenschaften aufweisen, sogenannte Spin-Effekte, die Quantenanwendungen erlauben», erzählt Roman Fasel, der Leiter des nanotech@surfaces Labors und Co-Leiter von CarboQuant.

Gleichzeitig in zwei Zuständen

Der Spin ist eine grundlegende quantenmechanische Eigenschaft von geladenen Teilchen wie Elektronen oder Protonen. Es handelt sich, aufgrund der Ladung der Teilchen, um eine Art magnetisches Drehmoment, das im einfachsten Fall nach «oben» (Zustand 1) oder nach «unten» (Zustand 0) zeigt. Auf Nanographen-Molekülen treten solche magnetische Momente auf, wenn ungepaarte Elektronen vorliegen. 

Sind zwei oder mehrere Spins verknüpft, beeinflussen sich ihre Zustände gegenseitig und es kommt zu einer sogenannten Überlagerung: Das Quantensystem nimmt bei diesem dem Menschenverstand widersprechenden Phänomen mehrere Zustände in einer beliebigen Kombination zwischen «0» und «1» gleichzeitig ein. Diese Vieldeutigkeit macht quantenbasierte Technologien derart interessant – Quantencomputer wären deswegen beispielsweise in der Lage, nicht nur eine Rechenoperation nach der anderen durchzuführen, sondern mehrere gleichzeitig.

Roman Fasel und sein Team haben die Synthetisierung solcher Materialien in den letzten Jahren perfektioniert. Heute zählen sie zu den Vorreitern der Erforschung von quantenphysikalischen Phänomenen mittels Nano-Graphenen. Sie haben eine Art modulares Baukastensystem entwickelt, mit dem sie in einem ersten Schritt, basierend auf den gewünschten Spin-Eigenschaften, das Aussehen eines Moleküls vorhersagen – und diese Struktur dann in einem zweiten Schritt synthetisieren. Auch Spins gezielt ein- und auszuschalten, ist inzwischen möglich.

Hochvakuum und flüssiges Helium

Mit dem CarboQuant-Labor, das von der Werner Siemens-Stiftung mitfinanziert wurde, haben die Forschenden nun die Möglichkeit, den Quantenmagnetismus ihrer Nano-Graphene detaillierter denn je zu untersuchen. Die beiden Rastertunnelmikroskope ähneln sich in der Bauart stark. Beide verfügen über Ultrahochvakuum-Kammern, starke Magnetfelder und Helium-Tanks, welche die Proben bis fast auf den absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad Celsius herunterkühlen. «Sie unterscheiden sich jedoch in Leistung und Präzision», erklärt Yujeong Bae. Eines der Mikroskope ist etwas kompakter und lässt sich bis 1,3 Grad über dem absoluten Nullpunkt abkühlen­. Das andere, noch präzisere, erreicht sogar eine Temperatur von bloss 0,4 Grad über dem absoluten Nullpunkt.

Rastertunnelmikroskope sind Mikroskope, die nicht mit Linsen und anderen optischen Elementen arbeiten, sondern Oberflächen mit einer sehr feinen Sonden-Spitze abtasten – ohne allerdings die Probe zu berühren. Sowohl die Sonde als auch die Probe sind elektrisch leitend. Zwischen der Spitze der Nadel und der leitenden Fläche wird eine Spannung angelegt – und der Strom, der mit den Erhebungen und Vertiefungen des Materials variiert, wird gemessen. Auf diese Weise können einzelne Atome und Moleküle auf Oberflächen untersucht werden.

Manipulation mit Mikrowellen

Doch nicht nur das: Mit den neuen Geräten lassen sich auch die quantenmagnetischen Momente steuern und analysieren. Das Know-how dafür bringt Yujeong Bae mit. Bevor sie Anfang 2024 an die Empa kam, hatte sie mit ihrer Forschungsgruppe am Center for Quantum Nanoscience in Seoul (Südkorea) an Methoden geforscht, die dies ermöglichen. Der Trick: Die Rastertunnelmikroskopie wird mit der sogenannten Elektronenspinresonanz kombiniert – einer Technik, die auf der Bestrahlung der Probe mit Mikrowellen basiert und die ähnlich funktioniert wie die aus der Medizin bekannte Magnetresonanztomographie (MRI).

Konkret wird das Rastertunnelmikroskop mit Hochfrequenzkabeln ausgestattet – eines für die Mikroskop-Spitze und eines für eine Antenne. Über diese Kabel können die Forschenden nun Mikrowellen in den Spalt zwischen der Rastertunnelmikroskop-Spitze und der Oberfläche der Probe einspeisen. «Dadurch lassen sich die Spins von Elektronen manipulieren und ihre Überlagerungszustände steuern und untersuchen», erzählt Bae. «Wir wollen diese Quantenkontrolle erstmals an Nano-Graphenen demonstrieren.»

Perfekt angeordnet

Und Oliver Gröning, Co-Leiter von CarboQuant, ergänzt: «Die Rastertunnelmikroskopie mit Elektronenspinresonanz wurde erst in den letzten zehn Jahren für die Manipulation von Spins eingesetzt, und das zumeist bei einzelnen Atomen.» Denn um mehrere Atome zu kombinieren, müssen diese bei vielen Ansätzen mithilfe der Spitze des Rastertunnelmikroskops neben- oder hintereinander angeordnet werden. «Mit solch physikalischen Methoden ist eine genaue Platzierung enorm schwierig», sagt Gröning.

Das Empa-Team hingegen stellt seine Nanographen-Moleküle auf chemischem Weg her. «Die chemischen Bindungen garantieren, dass die Abstände zwischen den einzelnen Atomen stets exakt gleich sind und sich nicht verändern», sagt Gröning. In der Messkammer des Rastertunnelmikroskops muss dann mit der Mikroskop-Spitze nur noch an der richtigen Stelle ein Wasserstoffatom mitsamt seinem Elektron entfernt werden. Dadurch bleibt im Molekül ein ungepaartes Elektron übrig, ein magnetisches Moment entsteht.

«Im CarboQuant Lab haben wir nun die Möglichkeit, die daraus entstehenden Quanteneffekte zu verstehen und kontrollieren zu lernen», sagt Oliver Gröning. Es wäre ein wichtiger Schritt um aufzuzeigen, welches Quantenpotenzial in den Kohlenstoff-Materialien der Empa-Forschenden steckt.