Bedretto-Untergrundlabor

Erforschung der Tiefengeothermie unter realen Bedingungen

Wer die Hitze im Erdinnern anzapfen kann, verfügt über ein nachhaltiges Verfahren zur unbegrenzten Energiegewinnung. Die dafür benötigten Tiefenbohrungen haben in der Schweiz jedoch stets Erdbeben ausgelöst. Im Bedretto-Untergrundlabor in der Südschweiz konnte nun dank der Unterstützung der Werner Siemens-Stiftung eine Infrastruktur aufgebaut werden, mit der Forschende aus aller Welt die Tiefengeothermie sicher und unter realen Bedingungen erproben können.


Das Projekt kurz erklärt

Bereits der Ausbau eines stillgelegten Stollens im Gotthardmassiv zu einem Untergrundlabor hat zahlreiche wichtige Erkenntnisse geliefert, was es braucht, damit man Tiefengeothermie sicher nutzen kann. Als im Bedretto-Untergrundlabor dann die ersten Experimente starteten, war das Interesse von in- und ausländischen Forschungsgruppen so gross, dass es zu einem «Stau» kam. Um die Kapazitäten zu vergrössern, wird nun dank der erneuten Unterstützung der Werner Siemens-Stiftung hinter dem ersten Bedretto-Untergrundlabor im Jahr 2022 ein zweites gebaut.

In der Theorie ist die Energiegewinnung mittels Tiefengeothermie relativ simpel: Zunächst werden zwei Löcher weit in die Erdkruste hineingebohrt. Dort ist das Gestein heiss – in fünf Kilometern Tiefe beispielsweise herrscht eine Temperatur von etwa 150 bis 200 Grad Celsius. Dann wird Wasser ins erste Loch gepumpt. Dieses sucht sich durch feine Risse einen Weg durchs Gestein, bis es zum zweiten Loch gelangt. Da es sich unterwegs stark erhitzt, tritt es dort als Dampf aus. Der Dampf steigt durchs zweite Bohrloch auf und treibt eine Turbine an, die Strom produziert. Doch Gesteinsarten wie Granit sind von Natur aus zu wenig durchlässig. Bei Granit muss nachgeholfen werden, indem hoher Druck Risse im Gestein hervorruft. Das muss sehr vorsichtig geschehen. Sonst besteht die Gefahr, dass wie vor 15 Jahren in Basel starke Erdbeben ausgelöst werden.

Im Bedretto-Untergrundlabor sucht man nach Wegen, wie die feinen Risse im Granit am besten produziert werden. Bereits haben die Forschenden ein geeignetes Verfahren erfolgreich getestet: die Multi-Etappen-Stimulation, bei der die Risse zeitlich gestaffelt und abschnittweise in der Tiefe provoziert werden. Das entsprechende Projekt heisst «Destress» und wurde 2021 abgeschlossen. «Das ist ein grosser Durchbruch für die geothermische Nutzung», sagt Geophysiker Marian Hertrich von der ETH Zürich, der Manager des Bedretto-Untergrundlabors.

Als alternative Methode prüfen die Forschenden um Projektinitiator und -leiter Domenico Giardini die Energiespeicherung in Wärmereservoirs. Die Idee: Statt in 5000 m Tiefe zu bohren und direkt Strom zu produzieren, könnte im energiereichen Sommer Wasser bis zu einer mittleren Tiefe von 1500 m gepumpt werden, wo es sich erwärmt. Im Winter kann die Energie aus dem Wärmereservoir dann genutzt werden. Das Prinzip der Wärmespeicherung hat zwei grosse Vorteile gegenüber der Tiefengeothermie: Die Gefahr von gefährlichen Erdbeben ist in geringerer Tiefe um ein Vielfaches kleiner, und es entstehen weniger Kosten – wegen der günstigeren Infrastruktur, aber auch, weil die Energie, die für das Pumpen des Wassers ins Gestein benötigt wird, im Sommer praktisch kostenlos zu haben ist.


Zahlen und Fakten

Projekt

Im Bedretto-Untergrundlabor führen internationale Forschungsgruppen kontrollierte Experimente unter realitätsnahen Bedingungen zur sicheren Nutzung von Tiefengeothermie durch. Sie wollen herausfinden, wie sich Erdbeben besser vorhersagen lassen und wie sich das Gestein bei Tiefenbohrungen und Stimulationen verhält.

Unterstützung

Die Werner Siemens-Stiftung unterstützt den Ausbau des ersten und zweiten Bedretto-Untergrundlabors und das Flagship-Projekt MISS (Mitigating induced seismicity for successful geo-resources applications), bei dem untersucht wird, wie die Auswirkungen induzierter Erdbebenaktivitäten reduziert werden können, um so die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Tiefengeothermie genutzt werden kann.

Forschungsförderer

ERC 2019 Synergy Grant des European Research Council; EU-Forschungsprogramm «Horizon 2020»; Multinationales EU-Verbundprojekt GEOTHERMICA; ETH Zürich; Werner Siemens-Stiftung; Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung; Bundesamt für Energie, Schweiz; Innosuisse – Schweizerische Agentur für Innovationsförderung

Eigentümer des Tunnels

Matterhorn Gotthard Bahn

Baukomitee

ETH Zürich; Swisscom

Mittel der Werner Siemens-Stiftung

12 Mio. Schweizer Franken

Projektdauer

2018–2024

Projektleitung

Prof. Dr. Domenico Giardini, Professor für Seismologie und Geodynamik, ETH Zürich

Forschungspartner

ZoDrEx; DESTRESS – Demonstration of soft stimulation treatments of geothermal reservoirs; Swiss Competence Center for Energy Research – Supply of Electricity; Validation of Technologies for Reservoir Engineering (VTRE); Schweizerischer Erdbebendienst an der ETH Zürich; ETH Zürich; EPFL; Université de Lausanne; Université de Neuchâtel; Anger; Cetim; CSIC; IDAEA; és géothermie; Geo Energie Suisse AG; GZB; Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen; Sirius E.S. GmbH; Welltec

Sicherheit

Suva; SiBau Management GmbH; Schweizerischer Erdbebendienst an der ETH Zürich

Bau

Baumeler Leitungsbau AG; Fretus AG; Azienda elettrica comunale Bedretto; awa PlanBau GmbH; Cava di estrazione di ghiaia di Bedretto

Betreiber des Labors

ETH Zürich, Departement für Erdwissenschaften

Sponsoren des Labors

ETH Zürich; Werner Siemens-Stiftung