Noch ist die Herstellung neuer thermoelektrischer Materialsysteme grossteils Handarbeit. Mit einer neu geplanten Hochdurchsatz-Infrastruktur soll sich das ändern.

Thermoelektrik mit Tempo

Die Suche nach Materialien, die Temperaturunterschiede effizient in Elektrizität umwandeln, ist aufwändig. Maria Ibáñez und ihr Team am IST Austria können es deshalb kaum erwarten, dass eine Hochdurchsatz-Anlage ihre Untersuchungen beschleunigt.

Neue Materialien sind die Welt der Physikerin Maria Ibáñez. Doch wer neue Materialien herstellen will, sollte neben Fachwissen auch Zeit und Geduld mitbringen – und die richtigen Hilfsmittel. Denn bis ein Material bestimmte Eigenschaften aufweist, braucht es oft viele Versuche. Wer jede neue Mischung im Labor von Hand herstellen und einzeln testen muss, kommt nicht weit.

Ibáñez und ihr Team entwickeln Materialien mit genau definierten Nanostrukturen. In wässrigen Lösungen lassen sie Polykristalle eines thermoelektrischen Materials entstehen, zum Beispiel Zinnselenid. Deren Oberfläche überziehen sie mit molekularen Komplexen eines anderen Materials, zum Beispiel Cadmiumselenid. «Um ein solches neugeschaffenes Materialsystem von Hand zu testen und die verschiedenen Parameter zu variieren, braucht eine Person schon einmal acht Monate oder ein Jahr», sagt Maria Ibáñez.

Man versteht deshalb ihre Begeisterung, wenn sie von der Hochdurchsatz-Infrastruktur erzählt, die momentan in ihrem neuen Labor entsteht. Zwar dauerte es länger als erhofft – wegen Lieferengpässen und weil es während der Corona-Zeit schwierig war, die benötigten Ingenieure anzustellen. «Aber jetzt sind wir daran, einen Prototyp zu bauen.» Damit können neun Material-Kombinationen aufs Mal gefertigt und untersucht werden. Ibáñez hofft, dass der Prototyp bis im Frühjahr 2023 einsatzbereit ist. Die fertige Anlage, die noch mehr Möglichkeiten bietet, soll ein paar Monate später eingeweiht werden – «das ist mein grosses Jahresziel», sagt Ibáñez.

Leistungsfähige Polykristalle

Trotz der coronabedingten Verzögerungen ist die Forscherin zufrieden mit den Resultaten ihrer Gruppe. «Wir haben die Grundsteine gelegt und wissen nun ziemlich genau, welche Materialien wir mit welchen Methoden im Hochdurchsatz-Labor testen wollen.» Einige spannende Resultate haben die Forschenden kürzlich in hochkarätigen Journals publiziert. So gelang es ihnen, mit einem neuen Herstellungsprozess ein Zinnselenid in der kostengünstiger produzierbaren Polykristallform zu schaffen, dessen thermoelektrische Leistung sich messen kann mit den besten Materialien in der teureren Einkristallform.

Eine andere wichtige Entdeckung des Thermoelektrik-Teams: «Wir können mittlerweile kontrollieren, wie gross die Körner der Kristalle werden, was wiederum Auswirkungen auf die Korngrenzen hat», sagt Ibáñez. Solche Korngrenzen sind entscheidend dafür, wie die Wärme transportiert wird. Künftig können die Forschenden so die thermoelektrische Leistung ihrer Materialien optimieren. Dieses neue Wissen lasse sich auch anderweitig nutzen, um polykristalline Materialien zu verbessern, sagt Ibáñez. «Ein Beispiel sind Solarzellen.»