Foto des Scanners an der Universität Tübingen

Der Scan von morgen

Mit dem «Werner Siemens Imaging Center» spielt die Universität Tübingen international in der ersten Liga der Forschung zu bildgebenden Verfahren. Das Ziel: Krankheiten besser verstehen, früher diagnostizieren und zielgerichteter behandeln.

Ein MRI-Bild des schmerzenden Rückens oder ein PET-Scan bei einem Tumorverdacht – bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanz-Tomographie (MRI) oder die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sind heute aus Klinik und Forschung nicht mehr wegzudenken. Bildgebende Verfahren sind einer der Forschungsschwerpunkte der Universität Tübingen. Die Werner Siemens-Stiftung unterstützt diese Forschung seit 2007.

Führend in der Bildgebung

Das 2014 gegründete «Werner Siemens Imaging Center» (WSIC) ist europaweit einzigartig. Es hat sich zu einem international führenden Forschungsort für Bildgebung entwickelt. Der Schwerpunkt liegt auf der präklinischen Forschung – also der Grundlagenforschung am Zell- und Tiermodell. Unter anderem werden dort bildgebende Instrumente für Kleintiere wie Mäuse entwickelt. Das Ziel der Forschung: Besser verstehen, wie Krankheiten entstehen, sich entwickeln und sich im Körper verbreiten, um sie besser behandeln können. Das Spektrum reicht dabei von der Onkologie, Neurologie und Kardiologie bis zur Immunologie.

Geleitet wird das Zentrum vom Physiker und Biomediziner Bernd Pichler, er hat die Werner-Siemens-Stiftungsprofessur für präklinische Bildgebung und Bildgebungstechnologie inne.

MRI und PET kombiniert

Das rund 60-köpfige Team am WSIC vereint Fachwissen aus Biologie, Physik, Medizin, Chemie und den Ingenieurwissenschaften. Die gebündelte interdisziplinäre Kompetenz hat bereits namhafte Erfolge erzielt. So entstand am WSIC der weltweit erste Scanner, der Magnetresonanz-Tomographie (MRI) und Positronen-Emissions-Tomographie (PET) in einem Gerät vereint. Die Firma Siemens hat die neuartige Technologie bereits in ihre Palette medizintechnischer Geräte aufgenommen.

Bei der Integration unterschiedlicher Methoden gehen die Forschenden aber noch weiter. Sie arbeiten daran, bildgebende Verfahren mit Analysen etwa aus der Mikroskopie, der Proteinanalyse (Proteomik) und der Stoffwechselanalyse (Metabolomik) zu kombinieren. «Unser Ziel sind multimodale Instrumente, die Informationen aus unterschiedlichen Analysen abbilden und miteinander verbinden können. Das würde die Diagnose von Krankheiten wesentlich erleichtern und eine präzisere, personalisierte Therapie ermöglichen», sagt Bernd Pichler.

Datenauswertung mittels künstlicher Intelligenz

Um die riesigen Datenmengen aus bildgebenden Verfahren bewältigen zu können, arbeitet ein Team am WSIC daran, die Datenauswertung mit Hilfe künstlicher Intelligenz weiter zu verbessern. «Machine Learning» und «Deep Learning» sind dabei gefragt – das sind Verfahren, bei denen Algorithmen mithelfen, die Daten zu analysieren und beispielsweise krankhafte Veränderungen in Zellen und Organen auf Bildern zu erkennen.

Innovative Biomarker

Krankheiten früher erkennen, besser verstehen und gezielter behandeln: Um dieses Ziel zu erreichen, sind nicht nur bessere bildgebende Verfahren gefragt, sondern auch winzig kleine Helfer – sogenannte Biomarker. Damit sind radioaktive oder fluoreszierende chemische Verbindungen gemeint, die bestimmte Krankheiten anzuzeigen vermögen. In der medizinischen Forschung wird weltweit intensiv nach solchen krankheitsspezifischen Biomarkern gesucht. Ihr Nutzen ist enorm, denn mit Biomarkern lassen sich Krankheiten einfacher und eindeutiger diagnostizieren. Zudem kann der Verlauf einer Krankheit und der Erfolg einer Therapie besser überwacht werden.

Infektionsherde nachweisen

Das Werner Siemens Imaging Center ist wesentlich an der Biomarker-Forschung beteiligt. Im Zentrum stehen dabei Biomarker, die sich mit bildgebenden Verfahren nachweisen lassen. Viel beachtet wurde etwa die WSIC-Forschung zu Lungeninfektionen, die durch den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus hervorgerufen werden. Viele infizierte Patienten sterben, da die Pilzinfektion nur schwer von einer bakteriellen Infektion unterschieden werden kann und häufig falsch therapiert wird. Den Forschenden gelang es, Biomarker zu entwickeln, welche die Infektionsherde in der Lunge von Mäusen sehr früh nachweisen können.

Biomarker bei Alzheimer und Parkinson

Internationale Beachtung erzielte das WSIC auch für seine Forschung in der Neurologie und Onkologie. Hier geht es etwa darum, Biomarker für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zu entwickeln oder die Wirksamkeit neuartiger Immuntherapien gegen Krebs zu untersuchen.

Nah an der Praxis

Damit die neuen Erkenntnisse möglichst bald auch Patientinnen und Patienten zugutekommen, kooperiert das Werner Siemens Imaging Center eng mit dem Universitätsklinikum Tübingen. Eine Gruppe von Forschenden und Ärzten am WSIC arbeitet daran, erfolgversprechende Grundlagenforschung in die Klinik zu übertragen. Derzeit laufen unter anderem klinische Studien zur Diagnose von Infektionen mit dem Schimmelpilz Aspergillus fumigatus und zur besseren Diagnostik von Brustkrebs.

Text: Adrian Ritter
Foto: Frank Brüderli