
Kalte Meeresströmung fällt erstmals aus
Jeweils während der Trockenzeit strömt im Golf von Panama kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche. Dieses Jahr ist das Phänomen erstmals seit Messbeginn ausgefallen. Das zeigen Untersuchungen, an denen die Forschungsjacht Eugen Seibold entscheidend beteiligt war.
Seit 2023 sammelt die von der Werner Siemens-Stiftung finanzierte Segeljacht Eugen Seibold des Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemie in Mainz Wasserproben und Daten zur Temperatur und Windverhältnissen im tropischen Ostpazifik. Nun hat das unter der Leitung von Gerald Haug und Ralf Schiebel stehende Seibold-Team mitgeholfen, ein überraschendes und beunruhigendes Ereignis aufzudecken: Erstmals seit 40 Jahren ist die sogenannte Upwelling-Dynamik im Golf von Panama ausgeblieben.
Es handelt sich um eine saisonale Auftriebsströmung, die jeweils während der Trockenzeit in Panama von Januar bis April auftritt. Durch die Verschiebung des tropischen Hochdruckgürtels entstehen zu dieser Zeit Passatwinde, die aus nordöstlicher Richtung den Golf von Panama erreichen. «Diese starken Winde schieben das warme Küstenwasser aufs Meer hinaus – und aus 300 bis 400 Metern Tiefe strömt kühles, nährstoffreiches Wasser nach und füllt diese Lücken», erklärt Ralf Schiebel, Forschungsleiter der «Eugen Seibold» und Gruppenleiter in der Abteilung Klimageochemie am MPI für Chemie.
Eigentlich wollte das Seibold-Team dieses Auftriebs-Phänomen im März 2025 mit Messungen im Golf von Panama untersuchen. Doch zwei, drei Wochen zuvor erhielt Schiebel eine E-Mail von einem Kollegen des Smithsonian Tropical Research Institute, welches das Phänomen seit 40 Jahren mittels Oberflächenwasser-Messungen verfolgt. «Er schrieb, dass die Messungen keine Abkühlung der Wasseroberfläche zeigen würden – das Upwelling scheine dieses Jahr auszufallen.»


Keine Durchmischung der Wasserschichten
Schiebel und sein Team erstellten darauf mit der «Eugen Seibold» Wasserprofile im Golf von Panama, also Proben aus unterschiedlichen Wassertiefen. Und tatsächlich: Die oberste Wasserschicht hatte sich nur unwesentlich abgekühlt. «Und die Sprungschicht, an der die Temperatur in einer bestimmten Wassertiefe sprunghaft abfällt, war intakt – die Winde vermochten also die Sprungschicht nicht aufzubrechen, um das Tiefenwasser in die Höhe zu bringen», sagt Schiebel.
Es sei das erste Mal seit Beginn der Messreihen vor 40 Jahren, dass das Auftriebsereignis ausbleibe, schreiben die Forschenden in einer Publikation, die kürzlich im renommierten Fachmagazin «PNAS»1 erschienen ist. Womöglich ist es sogar das erste Mal seit Jahrtausenden: Der Kaltwasser-Auftrieb verursacht nämlich saisonale Wachstumszyklen bei Korallen, die sich in deren Skeletten nachweisen lassen. Und Untersuchungen an fossilen Korallen aus dem Golf von Panama deuten laut Schiebel daraufhin, dass diese Wachstumszyklen seit dem Ende der letzten Kaltzeit vor ungefähr 11'000 Jahren nie ausgefallen sind.
Fischerei bricht ein
Das Ausbleiben des Kaltwasser-Auftriebs hat Auswirkungen. Zum einen trägt das Phänomen zum Schutz der Korallenriffe vor einer Überhitzung bei. Zum anderen ist die Fischerei im Golf von Panama davon abhängig. Strömt nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe in Schichten auf, in die das Licht eindringen kann, bilden sich Algen. Sie stehen am Anfang einer ganzen Nahrungskette, die letztlich die Fischerei zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige Panamas macht.
«Es ist eine saisonal angepasste Fischerei», sagt Ralf Schiebel. «Die Fischerboote sind vor allem dann draussen, wenn es dank der Auftriebsströmung viele Fische hat.» Diesen März jedoch seien viele Flotten im Hafen geblieben. «In der Nähe unseres Anlegeplatzes liegen japanische Schnellboote, die für die Thunfischjagd eingesetzt werden», erzählt Schiebel. «In früheren Jahren waren sie oft draussen auf dem Meer. Dieses Jahr waren sie die ganze Zeit im Hafen.»
Die Gründe für das Ausbleiben der saisonalen Auftriebsströmung sind nicht im Detail geklärt. Klar ist aber, dass sich die Oberflächentemperaturen der Ozeane in den letzten Jahren an den meisten Messstellen stark erhöht haben. Das führt dazu, dass sich Temperaturunterschiede zwischen Wasser und Luft am Äquator verändern – und damit auch Unterschiede im Luftdruck. «Wegen der geringeren Luftdruck-Unterschiede schwächen sich die Passatwinde ab», erklärt Schiebel.

«Völlig überraschend»
Verstärkt wird dies durch das Wetterphänomen El Niño, das warmes Wasser an die Pazifikküste bringt. Das letzte El-Niño-Ereignis allerdings löste sich ungefähr Mitte 2024 auf – danach folgte sein Gegenstück, La Niña. «Während La Niña wehen die Passatwinde im Golf von Panama normalerweise stärker als während El Niño, deshalb hat uns das Ausbleiben der Auftriebsströmung zum jetzigen Zeitpunkt völlig überrascht», sagt Schiebel.
Die grosse Frage ist, ob der Kaltwasser-Auftrieb im nächsten Jahr wieder einsetzt – oder ob sein Ausbleiben zur Regel wird. Darüber zu spekulieren sei zu früh, sagt Gerald Haug, Direktor der Abteilung Klimageochemie am MPI für Chemie und geistiger Vater der «Eugen Seibold». Die Studie unterstreiche jedoch die zunehmende Anfälligkeit tropischer Auftriebsgebiete, die trotz ihrer enormen ökologischen und sozioökonomischen Bedeutung nach wie vor nur unzureichend überwacht würden. Ähnliche Auftrieb-Dynamiken wie im Golf von Panama existieren auch entlang der Westküste Afrikas, etwa vor Mauretanien, Marokko und Namibia.
Die «Eugen Seibold» wird in der nächsten Messperiode allerdings nicht mehr im Golf von Panama Daten und Proben sammeln. Sie ist momentan vor Galapagos unterwegs. «Danach werden wir den sogenannten Costa Rica Thermal Dome untersuchen», erzählt Schiebel. Es handelt sich ebenfalls um einen Auftriebswirbel im Pazifik, der aber andere Gründe hat als der Auftrieb im Golf von Panama. Ende Jahr dann wird die segelnde Forschungsjacht durch den Panama-Kanal wieder auf die Atlantikseite wechseln, um nächstes Jahr ihre Messungen dort weiterzuführen.
