
Knochenbrüche mit Licht überwachen
Wie gut ein Knochenbruch heilt, lässt sich an der Durchblutung und am Sauerstoffgehalt an der Bruchstelle ablesen. Dies zeigen Studien im Projekt «Smarte Implantate», die von WSS-Stiftungsprofessorin Bergita Ganse geleitet wurden. Die neuen Methoden könnten künftig eine einfache, sichere und lückenlose Überwachung von Frakturen ermöglichen.
Nicht alle Knochenbrüche verheilen nach der Operation zufriedenstellend. «Bei ungefähr 14 von 100 Unterschenkelfrakturen kommt es zu Komplikationen – und oft erleben die Patienten dabei erhebliche Verzögerungen in der Diagnose und Behandlung», sagt Bergita Ganse, WSS-Stiftungsprofessorin für innovative Implantatentwicklung an der Universität des Saarlandes.
Knochenbrüche werden heute in der klinischen Routine mit Röntgen- und CT-Aufnahmen überwacht. Beide setzen Patienten einer Strahlung aus und können wegen des damit verbundenen Krebs-Risikos nicht allzu häufig wiederholt werden. Zudem machen sie keine Protein-Strukturen, sondern lediglich die Kalksalze sichtbar, die erst spät in der Knochenheilung in den Bruchspalt eingebaut werden, sagt Bergita Ganse. «Wie gut ein Bruch heilt, sieht man deshalb auf solchen Bildern erst ein paar Wochen verspätet.»
Mit ihrem Team hat die Forscherin nun eine neue Methode gefunden, um den Heilungsverlauf kontinuierlicher zu überwachen. Auf die Idee gekommen sei sie durch ihre Arbeit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, erzählt Ganse. «Dort massen wir die Durchblutung und die Sauerstoffsättigung in Muskeln von Astronauten – und ich überlegte mir, dass dies auch für Knochenmessungen interessant sein könnte.»
Neue Anwendung für zwei Methoden
Heilt ein Knochen, kommt an der Frakturstelle viel in Bewegung. «Es bilden sich eine Art dünner Fäden aus, die beginnen, die Bruchenden zu verbinden», sagt Bergita Ganse. Nach und nach entsteht so neues Knochengewebe, das mit Blut versorgt wird. Dabei verändern sich auch der Blutfluss und die Sauerstoffsättigung. Wie genau, hatte allerdings bislang noch niemand am Menschen untersucht.
Sowohl für die Blutfluss- als auch für die Sauerstoffsättigungs-Messung existieren handliche Geräte auf dem Markt. Sie basieren auf zwei unterschiedlichen Methoden: Die sogenannte Laser-Doppler-Spektroskopie nutzt Laser-Licht, um sich bewegende Teilchen wie rote Blutkörperchen – also den Blutfluss – zu messen. Die Weisslicht- und Nahinfrarot-Spektroskopie erkennt mithilfe von LED-Licht den Gewebezustand, zum Beispiel die Versorgung mit Sauerstoff.
Gemeinsam mit ihren Medizin-Doktoranden Oana Scholz und Cedric Nowicki nutzte Bergita Ganse solche Geräte zur Messung von Frakturheilungen. Über mehrere Monate hinweg verfolgten sie den Heilungsverlauf von insgesamt 55 Patientinnen und Patienten mit Schienbeinbrüchen und verglichen dies mit Kontrollgruppen von 51 gesunden Menschen. In zwei kürzlich erschienenen Studien (*) zeigen die Forschenden auf, wie sich Blutfluss und Sauerstoffsättigung nach einem Knochenbruch verändern – und dass sich der zeitliche Verlauf bei gut heilenden Brüchen vom Verlauf bei schlecht heilenden Brüchen unterscheidet.


Ein charakteristisches Bild
Laut Ganse ergab sich nach einem Bruch ein charakteristisches Bild. «Der Blutfluss steigt zunächst an bis auf ein Maximum. Nach etwa zwei bis drei Wochen fallen die Messwerte wieder ab.» Die Sauerstoffsättigung wiederum fällt zuerst ab bis auf ein Minimum und steigt nach zwei bis drei Wochen an, wenn sich neue Gefässe bilden. «Kehren die Werte nicht auf Normalniveau zurück, ist der Verdacht begründet, dass etwas nicht richtig läuft», sagt Ganse.
Künftig könnte die Ärztin – oder sogar der Patient selbst – einmal am Tag ein solches Messgerät an der Bruchstelle auf die Haut halten. Schon nach wenigen Sekunden wäre – ganz ohne schädliche Strahlung – klar, ob der Knochenbruch gut verheilt oder nicht. «Das Röntgen komplett ersetzen wird unsere Methode aber nicht», sagt Bergita Ganse. «Wir müssen immer noch kontrollieren, ob eine eingesetzte Schraube gebrochen ist oder sich der Bruchspalt verschoben hat. Aber wir können viel schneller reagieren, wenn etwas nicht stimmt – und das ist wirklich wichtig.»
Je früher man bemerkt, dass ein Knochenbruch nicht gut heilt, desto besser. Denn es gibt durchaus Möglichkeiten, um einer Fehlheilung entgegenzusteuern. Wächst die Bruchstelle nicht zusammen, weil der Patient zu rasch oder zu stark auf das betroffene Bein auftritt, kann man ihm empfehlen, die Bruchstelle ruhigzustellen. Ist die Durchblutung ungenügend – zum Beispiel infolge von Gefässschädigungen bei Rauchern oder bei Menschen mit Diabetes – lässt sich die Bruchstelle stimulieren, um den Blutfluss anzuregen, zum Beispiel mittels Ultraschall-, Stosswellen- oder Magnetfeldtherapie.
Integration ins smarte Implantat
In Zukunft könnte dies sogar durch ein Implantat geschehen, an dem das Team um Bergita Ganse und Tim Polemann im Rahmen des von der Werner Siemens-Stiftung geförderten Projektes «Smarte Implantate» arbeitet. Das Implantat stabilisiert den gebrochenen Knochen, liefert Informationen dazu, wie gut oder schlecht der Bruch verheilt und reagiert darauf. Wirken zu starke Kräfte auf die Fraktur, versteift es sich. Bewegt sich der Patient zu wenig oder wird die Bruchstelle ungenügend durchblutet, verformt es sich und regt durch eine Art Mikromassage den Heilungsprozess an.
Die nun untersuchten Blutfluss- und Sauerstoffsättigungsmessungen seien nicht Teil der ursprünglichen Projekt-Idee gewesen, erzählt Bergita Ganse. «Umso schöner ist es, mit ihnen die Möglichkeiten des Implantats zu erweitern.» Sie möchte versuchen, das Sauerstoffsättigungs-Messgerät ins Implantat einzubauen. Das brächte den Vorteil, dass es näher an der Bruchstelle wäre als bei Messungen durch die Haut. Denn die Messtiefe solcher Geräte sei begrenzt.
Heilungsverläufe vergleichen
Zudem ermöglicht die kontinuierliche Überwachung des Heilungsverlaufs, verschiedene Behandlungsmethoden zu vergleichen. «Bislang konnte man bloss Endpunkte miteinander vergleichen – also, ob die Bruchstelle verheilt oder nicht», erklärt Ganse. «Künftig könnten wir beispielsweise untersuchen, wie sich die Heilungsverläufe unterscheiden zwischen einem konventionellen Implantat und unserem smarten Implantat.»
Und damit nicht genug: Die Forscherin geht davon aus, dass die neu entwickelte Messmethode einen breiten medizinischen Nutzen bringen kann. Nicht nur Schienbeinbrüche, sondern auch andere Knochenbrüche oder Knochendefekte, zum Beispiel wegen eines Tumors, liessen sich damit in Zukunft überwachen. «Ich bin gespannt, wie schnell sich die Methode in der Forschung und im klinischen Alltag etabliert», sagt Bergita Ganse.
(*)
Studie 1: https://doi.org/10.1016/j.bios.2025.117442
Studie 2: https://doi.org/10.3390/jfb15120384
