Die Molekularbiologin Dr. Ana Montalban-Arques in ihrem Labor am Universitätsspital Zürich.
Die Molekularbiologin Dr. Ana Montalban-Arques in ihrem Labor am Universitätsspital Zürich: Das MedTechEntrepreneur-Fellowship der Universität Zürich wird mithelfen, ihre vielversprechende schonende Behandlung von Darmkrebs zur Marktreife zu bringen.

Darmbakterien gegen Krebs

Die Molekularbiologin Ana Montalban-Arques hat ein MedTechEntrepreneur-Fellowship der Universität Zürich erhalten. Damit kann die Nachwuchsforscherin ihre neuartige Behandlung von Darmkrebs zur Marktreife bringen.

So klein und doch so wirkungsvoll! Die Mikroben, die zu Millionen unter anderem unseren Darm besiedeln – im Fachjargon Mikrobiom genannt – faszinieren Ana Montalban-Arques seit mehr als zehn Jahren. Erstmals beschäftigte sich die Molekularbiologin im Rahmen ihrer Masterarbeit damit. Seither hat ihr Interesse an den Mikroben im Darm nicht mehr nachgelassen. «Die Wissenschaft kann zunehmend zeigen, welch erstaunliche Wirkung diese Winzlinge auf uns haben», sagt die mittlerweile promovierte Forscherin. «Die Mikroben helfen nicht nur, Nahrung zu verdauen, sondern stärken insbesondere auch unser Immunsystem.»

Von Spanien in die Schweiz

Nach dem Studium der Molekularbiologie in ihrem Heimatland Spanien und dem Doktorat in Österreich wurde Ana Montalban-Arques 2018 Postdoktorandin im Bereich Mikrobiom-Forschung an der Universität Zürich (UZH) und am Universitätsspital Zürich. Sie und ihr Team wiesen nach, dass bei Patientinnen und Patienten mit der häufigsten Form von Darmkrebs, dem kolorektalen Karzinom, das Darm-Mikrobiom anders als bei gesunden Menschen zusammengesetzt ist: Es mangelt den Erkrankten an Bakterien der Gattung Clostridiales. Erhalten Mäuse mit Darmkrebs solche Clostridiales-Bakterien verabreicht, vermag ihr Immunsystem den Tumor wirksam anzugreifen – ganz ohne Nebenwirkungen. Dieser Nachweis gelang den Forschenden nicht nur bei Darmkrebs – auch bei Hautkrebs, Brustkrebs und Lungenkrebs vermochten die Bakterien Immunzellen gegen den Tumor zu aktivieren.

Vielversprechender Bakterienmix

Das sind verheissungsvolle Resultate. Denn ein beträchtlicher Teil der an Darmkrebs Erkrankten spricht nicht auf die bisher verfügbaren Therapien an oder erleidet Rückfälle. Diese Ausgangslage motivierte Ana Montalban-Arques, den Weg zur Unternehmerin zu beschreiten und ihre Erkenntnisse in Form eines Arzneimittels zu den Patientinnen und Patienten zu bringen. Sie bewarb sich mit der Unterstützung ihres Professors Michael Scharl erfolgreich für ein MedTechEntrepreneur-Fellowship der UZH und kann sich nun bis März 2022 auf ihre zukünftige Rolle als Unternehmerin und CEO des Spin-offs «Recolony» vorbereiten.

«Es gibt viel zu lernen, denn die Welt des Unternehmertums ist neu für mich», sagt sie. Das von der Werner Siemens-Stiftung finanzierte MedTech-Entrepreneur-Fellowship unterstützt sie unter anderem mit Coaching, Netzwerkanlässen und der Vermittlung von unternehmerischem Wissen, etwa zu Patenten oder zu den Zulassungsbedingungen von Arzneimitteln.

Auf dem Weg zum marktfähigen Produkt geht es nun darum, die Bakterienmischung in eine für Patientinnen und Patienten einfach einzunehmende Form zu bringen: gefriergetrocknet in Kapseln. Im besten Fall kann daraus die weltweit erste Krebstherapie werden, die Bakterien nicht einfach dazu nutzt, andere Immuntherapien wirksamer zu machen, sondern bei der das Mikrobiom selbst zur eigenständigen Immuntherapie wird. Der Clostridiales-Bakterienmix könnte helfen, Darmkrebs zu heilen, ein Wiederauftreten zu verhindern und bei Risikopersonen der Entstehung eines Tumors vorzubeugen.

Gegen verschiedene Krebsarten

Das MedTechEntrepreneur-Fellowship der UZH unterstützt das Projekt von Ana Montalban-Arques nicht nur fachlich, sondern auch mit einem Stipendium in der Höhe von 150 000 Schweizer Franken. Der Betrag wird für die Produktion der Bakterienmischung eingesetzt. Unterstützt wird das Vorhaben auch vom Schweizerischen Nationalfonds.

Wenn mit den klinischen Tests alles klappt, kann das Medikament im Jahr 2030 auf den Markt kommen. Der Traum von Ana Montalban-Arques wird weitergehen: «Mein Ziel ist es, für verschiedene Krebsarten spezifische Bakterienmischungen als Immuntherapie zu entwickeln.»

Den Austausch stärken

Ana Montalban-Arques ist eine von 13 MedTechEntrepreneur-Fellows der UZH. Seit Beginn des Programms in 2018 haben sich 28 Nachwuchsforschende darum beworben. Bereits sind sechs Jungunternehmen daraus entstanden. «Die Covid-19-Pandemie hat den Firmengründungen nichts anhaben können», sagt Michael Schaepman, Rektor der UZH und ehemaliger Projektleiter des Fellowship-Programms. «Alle Fellows haben die damit verbundenen Herausforderungen gut gemeistert. Von dieser unvorhergesehenen Erfahrung werden sie auch in Zukunft profitieren.»

In der Pandemie hat sich gezeigt, wie wertvoll der Austausch und die gegenseitige Unterstützung der Fellows ist. Denn oft stehen sie vor denselben Herausforderungen, etwa beim Aufbau eines Teams oder der Finanzierung des Unternehmens. «Mit der wachsenden Zahl von laufenden und abgeschlossenen Projekten wird es immer wertvoller, die Vernetzung unter den Fellows zu fördern», so Schaepman. Die entsprechenden Möglichkeiten sollen weiter ausgebaut und auch der Austausch mit ehemaligen Fellows soll etabliert werden. Denn deren Erfahrungen sind Gold wert für zukünftige Unternehmerinnen und Unternehmer.

Text: Adrian Ritter
Fotos: Oliver Lang