Foto von der Unternehmensgründerin Daniela Marino und dem Jungunternehmer Yannick Devaud.
Der Biotechnologe Yannick Devaud ist einer der ersten Nachwuchsforscher an der Universität Zürich, die mit Hilfe des Programms MedTechEntrepreneur-Fellowship eine medizintechnische Firma gründen können. Von der erfolgreichen Unternehmensgründerin Daniela Marino erfährt er, worauf es ankommt.

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Der Schritt von der Wissenschaft ins Unternehmertum ist anspruchsvoll und lang – gerade im Bereich der Medizintechnik. Um die Startphase zu erleichtern, hat die Werner Siemens-Stiftung das Programm MedTechEntrepreneur-Fellowship an der Universität Zürich ins Leben gerufen. Damit werden talentierte Nachwuchsforschende gefördert, die eine medizintechnische Firma gründen wollen.  

Gut und gerne zehn Jahre kann es dauern, bis ein Spin-off aus dem Bereich Medizintechnik ein Produkt verkaufen kann. Denn es braucht hohe Investitionen, und die Regulierungsverfahren sind aufwändig und teuer. Entsprechend versickern zahlreiche medizinische Erkenntnisse in den Universitäten, selbst wenn sie für viele Menschen hilfreich sein könnten. Um das zu ändern, hat die Universität Zürich das Förderprogramm MedTechEntrepreneur-Fellowship geschaffen. Es wird von der Werner Siemens-Stiftung finanziert und fördert Nachwuchsforschende der Universität Zürich, die ein medizintechnisches Spin-off gründen möchten. 

Im Sommer 2018 wurde das erste Fellowship vergeben. Fünf Projekte aus den Bereichen Krebsforschung, Regenerative Medizin, Molekularbiologie sowie Cell and Tissue Engineering bewarben sich darum. Zwei davon werden nun mit je 150 000 Franken unterstützt. Einer der ersten Fellows ist der Biotechnologe Yannick Devaud, 30. Im Gespräch mit der erfahrenen Unternehmerin Daniela Marino, 36, erfährt er, worauf es bei der Gründung seines Spin-offs ankommt. Marino studierte wie Devaud einst Biotechnologie. Im März 2017 gründete sie mit der Cutiss AG ihre eigene Firma.
 

Herr Devaud, im Juli wurden Sie als einer der ersten mit dem MedTechEntrepreneur-Fellowship der Werner Siemens-Stiftung gefördert. Wofür brauchen Sie das Geld?

Yannick Devaud: Wenn schwangere Frauen operiert werden, geschieht es häufig, dass die Membran der Fruchtblase zerstört wird. Dann kommt es zu Frühgeburten, welche die Babys oft nicht überleben. Mein Ziel ist es, die Membran nach dem Eingriff mit einer Art Pflaster zu schützen. Während meiner Doktorarbeit an der Universität Zürich habe ich ein Gerät entwickelt, mit dem das möglich ist. Das möchte ich nun weiterentwickeln. Die 150 000 Franken des Fellowship werden hauptsächlich mein Salär für die nächsten eineinhalb Jahre abdecken.

 

Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zum Unternehmer?

Yannick Devaud: Zuerst werde ich einen Prototyp entwickeln und testen. Im Frühling 2019 sollten erste Experimente an Schafen möglich sein. Nur wenn diese funktionieren, werde ich gegen Ende 2019 ein Start-up gründen. Die ersten Tests an Menschen plane ich, sobald die Bewilligungsverfahren durch sind, das wird in etwa drei bis vier Jahren der Fall sein.

Frau Marino, Sie arbeiten in einem verwandten Gebiet. Ihre Firma Cutiss AG stellt personalisierte Hauttransplantate für die Behandlung nach Verbrennungen oder Tumorentfernungen her. Vor rund eineinhalb Jahren gründeten Sie die Firma, heute arbeiten zehn Leute für Sie. Warum entschieden Sie sich, Unternehmerin zu werden?

Daniela Marino: Mein Ziel war stets, dass das, was ich erforscht habe, jemandem hilft. Damit das möglich ist, gab es schlicht keine andere Möglichkeit, als aus dem wissenschaftlichen Projekt ein Spin-off zu machen. Denn Publikationen in Fachjournalen allein bringen Patientinnen und Patienten nichts. Und Pharmafirmen kaufen dir keine Ideen ab, die noch nicht ausreichend getestet worden sind, das ist ihnen schlicht zu riskant. Die Entscheidung, ein Start-up zu gründen, traf ich über Nacht – und habe sie nie bereut. Ich wache jeden Morgen mit einem Lächeln im Gesicht auf.


Ein Start-up zu gründen bedeutet aber auch viel Arbeit. Was waren die grössten Herausforderungen?

Daniela Marino: Am schwierigsten war es, ein Netzwerk aufzubauen. Als Wissenschaftlerin war ich es gewohnt, abgeschottet von der Aussenwelt in meinem Labor zu forschen. 


Würden Sie das heute anders angehen?

Daniela Marino: Ja, ich würde von Beginn an mehr Zeit an Netzwerkanlässen verbringen, auch wenn diese noch so langweilig sein sollten. Denn als Start-up hast du kein Geld, um für alles Spezialistinnen oder Spezialisten zu bezahlen. Also ist man auf sein eigenes Netzwerk angewiesen. Es gibt diese Leute, die pro bono helfen, die einfach wollen, dass eine gute Idee verwirklicht werden kann. Man muss sie nur finden.


Macht Networking auch Ihnen Sorgen, Herr Devaud?

Yannick Devaud: Zum Glück fällt es mir nicht allzu schwer, auf wildfremde Leute zuzugehen und ihnen dumme Fragen zu stellen.

Daniela Marino: Vorhin auf dem Gang hast du einfach Hallo zu mir gesagt. Ich dachte erst, wir würden uns kennen. Das finde ich gut, das ist charmant.  

Yannick Devaud: Wovor ich aber Respekt habe, ist die komplizierte und manchmal wohl auch qualvolle Arbeit bei den Regulierungsverfahren. Doch ich bin jemand, der gerne lernt. Und schliesslich habe ich mein Ziel vor Augen: Ich möchte diese Babys retten. Wenn ich dafür viel arbeiten muss, Kurse belegen, auch mal mühsame Dinge tun, dann ist das okay.


Welchen Rat würden Sie, Frau Marino, aufgrund Ihrer Erfahrung Herrn Devaud geben?

Daniela Marino: Du solltest so früh wie möglich ein schönes Paket für Investoren schnüren. Denn eher früher als später brauchst du mehr Geld. Was du ins Geschenk packst, ist dir überlassen, aber es muss sehr, sehr gut aussehen.

Yannick Devaud: Was meinst du damit?

Daniela Marino: Was du brauchst, ist eine Geschichte. Du musst zeigen, was das Problem ist und warum du derjenige bist, der es lösen kann. Dann wollen Investoren Zahlen sehen, wie viele Patientinnen sind betroffen, wie sieht die Konkurrenz aus, und so weiter. Glaub nicht, es ist zu früh dafür. Das alles braucht sehr viel Zeit, du solltest jetzt damit beginnen.


Frau Marino, als Sie vor vier Jahren anfingen, gab es noch kein MedTech-Entrepreneur-Fellowship der Werner Siemens-Stiftung. Hätte das geholfen?

Daniela Marino: Auf jeden Fall. Es ist schwierig, Geld ausserhalb der klassischen Wissenschaftsförderung zu finden. Für das Regulierungsverfahren etwa braucht man schnell einmal
100 000 Franken. Zweckgebundene Gelder darf man dafür aber nicht verwenden. Wir hatten damals Glück
und erhielten einen grossen Beitrag von der EU.  


Was müsste sich ändern?

Daniela Marino: Ich hoffe, dass einige reiche Menschen hier in der Schweiz aufwachen. Sie haben Milliarden, geben aber keinen Cent aus. Es gibt so viele brillante junge Leute, ich treffe sie jeden Tag. Warum wird ihnen nicht mehr zugetraut? Es ist ja nicht so, dass sie damit einfach nur eine neue Kaffee-
maschine bauen würden. Sie machen etwas, was der Gesellschaft hilft.  


Es gibt doch sicher Risikokapitalgeber, die sich beteiligen möchten?

Daniela Marino: Klar, aber sie nehmen dich aus. Sie sagen, ich gebe dir eine Million, und die Firma gehört mir. Für mich war das nie ein Thema, und ich würde es auch nicht weiterempfehlen.  


Ein Spin-off zu gründen heisst auch, Manager zu werden. Herr Devaud, können Sie sich vorstellen, die Wissenschaft hinter sich zu lassen?

Yannick Devaud: Es macht mir nichts aus, nicht der beste Wissenschaftler der Schweiz zu werden. Meine Fähigkeiten passen gut in die Business-Welt. Ich bin aber auch keiner, der nur Geld machen möchte. Wäre ich das, hätte ich einen gut bezahlten Job bei einem Grossunternehmen angenommen. Meine Motivation ist es, den Menschen zu helfen. Ich möchte, dass die Babys im Mutterleib gesund bleiben. Das ist eine sehr grosse Motivation.

Interview: Andres Eberhard
Fotos: Felix Wey