Foto des MIRACLE-Projekts.

Erfolgreiche Knochenarbeit

Möglichst schonend, minimalinvasiv und hochpräzis – so sollen Knochenoperationen in Zukunft sein. Die rund 50 Forschenden des MIRACLE-Projekts an der Universität Basel kommen diesem Ziel näher. Ihr Laser-Roboter schneidet fünfmal feiner als eine konventionelle Knochensäge, und die eigens entwickelte 3-D-Software SpectoVR ist ein Erfolg. 2019 drehte sich alles um die Miniaturisierung und Integration der verschiedenen Komponenten.

Das Durchtrennen von Knochen mithilfe einer Knochensäge ist für Patientinnen und Patienten eine unschöne Vorstellung. Nun könnten Knochensägen in ein paar Jahren ausgedient haben: Seit 2014 sind Forschende am «Department of Biomedical Engineering» der Universität Basel im «Switzerland Innovation Park Basel Area» in Allschwil damit beschäftigt, einen Operationsroboter mit einem Laser-Skalpell für hochpräzise Knochenoperationen zu entwickeln. Philippe Cattin, Professor für Medizinische Bildanalyse, und Professor Hans-Florian Zeilhofer, Leiter der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsspital Basel, leiten das Projekt MIRACLE. Das Hauptziel von MIRACLE ist es, Knochen minimalinvasiv mit Laserlicht zu operieren. MIRACLE steht denn auch für «Minimally Invasive Robot-Assisted Computerguided Laser OsteotomE»; ein Osteotom ist ein chirurgisches Gerät zum Trennen von Knochen.

Ingenieurskunst in der Medizin

Für MIRACLE arbeiten Expertinnen und Experten aus den Bereichen medizinische Robotik, Lasertechnologie, Planung, Navigation und intelligente Implantate zusammen. Das interdisziplinäre Team hat in permanenter Absprache mit Medizinerinnen und Medizinern des Universitätsspitals Basel sowie des Kinderspitals beider Basel verschiedene Prototypen und innovative Software-Lösungen entwickelt. «Unsere rund 50 Forschenden versuchen, mit Ingenieurskunst den Medizinern beizustehen», sagt Philippe Cattin. Der bereits entwickelte Laser-Roboter GG1, der das koordinierte Zusammenspiel von Lasertechnologie, Robotik sowie Planungssoftware erlaubt, erzielt eine Schnittbreite von 0,5 Millimetern. Seine Laserschnitte sind damit bis zu fünfmal feiner als die Schnitte einer konventionellen Knochensäge. Dank sauberen, feineren Schnitten wächst der operierte Knochen rascher wieder zusammen.

Klein muss es sein

Im Jahr 2019 stand bei MIRACLE alles im Zeichen der Miniaturisierung und Integration. Philippe Cattin: «Es gilt, die Laser-Endoskop-Komponenten möglichst klein zu bauen, damit sie in die vom Roboter gesteuerte Endoskop-Spitze passen.» Mithilfe des Endoskops kann eine Chirurgin oder ein Chirurg das «Laser-Skalpell» im menschlichen Körper präzise führen. Um wiederholbare  hochpräzise Schnitte auch bei minimalinvasiven Eingriffen zu erzielen, entwickelte das Robotik-Team von MIRACLE-Professor Georg Rauter eine Miniaturversion einer Parallelroboter-Endoskop-Spitze, die momentan weiter optimiert wird.

Intelligenter Laser

Die Gruppe «Medizinische Laserphysik und Optik» von Professor Azhar Zam arbeitet derweil an einem intelligenten Laser, der Gewebe im Körper automatisch erkennt. Er soll in Zukunft auch Tumorgewebe identifizieren können. Das Team von Professor Hans-Florian  Zeilhofer setzt sich intensiv mit der Weiterentwicklung von minimalinvasiven Implantat- und Gerätetechnologien auseinander. So konnten bereits mehr als 120 Implantate im Rahmen neurochirurgischer Operationen bei Patienten eingesetzt werden. Erste minimalinvasive Implantate sind bereits in Zusammenarbeit mit grossen Kliniken in der Schweiz und in Deutschland in Planung.

Smarte Implantate

PD Dr. Stefan Stübinger, Co-Leiter der MIRACLE-Gruppe «Smart Implants», hat mit Kollegen zusammen im April 2019 mit «BioInitials» ein weiteres MIRACLE-Spin-off gegründet. Bio- Initials entwickelt miniaturisierte biochemische Sensoren, mit denen eine Zahnwurzelhautentzündung überwacht werden kann und Biomarker im Speichel ausgewertet werden können. Die Sensoren von BioInitials werden auch dem MIRACLE-Projekt zugutekommen, zum Beispiel bei Operationen im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich. Für die optimale Operationsplanung dient den MIRACLE-Forschenden die selbst entwickelte Virtual-Reality-Software SpectoVR. Damit lassen sich computertomografische Körperdaten als 3-D-Bilder darstellen und durch eine mobile Hightech-Brille betrachten. Gemäss Professor Cattin gibt es am Universitätsspital Basel bereits acht mit dem Spital-Informationssystem verbundene SpectoVR-Stationen. Die Visualisierungs-Software kommt nun auch während Patientenbesprechungen zum Einsatz. Eine Studie des «Moorfields Eye Hospital» in London hat den medizinischen Nutzen von SpectoVR mittlerweile bestätigt.

Publikumsmagnet SpectoVR

Ärztinnen und Ärzte von Neurochirurgischen Kliniken der Schweiz sowie des Universitäts-Kinderspitals beider Basel konnten sich während einer Weiterbildung ein Bild von SpectoVR machen. Fachleute aus aller Welt und die breite Öffentlichkeit lernten SpectoVR an verschiedenen Kongressen, Konferenzen, Ausstellungen und Events wie dem Swiss Digital Day kennen. Am 26. September 2019 wurde ausserdem der Showroom «Switzerland Innovation Park Basel Area» eröffnet; dort zeigen nun zahlreiche MIRACLE Prototypen, die zum Teil interaktiv sind, wie sich das Forschungsprojekt bisher entwickelt hat, und es gibt auch eine SpectoVR-Station, die die Besucherinnen und Besucher ausprobieren können. Die virtuellen Reisen ins Körperinnere, die man mit SpectoVR unternehmen kann, haben sich mehrfach als Publikumsmagnet erwiesen.

Text: Bernhard Bircher-Suits
Fotos: Frank Brüderli