Das Laser-Skalpell.
Hoch präzis: Das Laser-Skalpell erkennt mithilfe eines optoakustischen Sensors, in welcher Art Gewebe es sich befindet. Chirurginnen und Chirurgen, die mit dem Laser-Skalpell operieren wollen, brauchen ausserdem ein grünes Licht zur Orientierung – es wurde installiert, weil der Schneidlaserstrahl für das menschliche Auge unsichtbar ist.

Schlaues Laser-Skalpell

Weg von der Knochensäge, hin zum Laser-Skalpell: Die Forschenden des MIRACLE-Projekts arbeiten darauf hin, minimalinvasive Knochenoperationen möglich zu machen. Ihr robotergesteuertes Lasersystem schneidet nicht nur fein und präzise, sondern sorgt durch neuentwickelte Sensoren und Methoden gleich selbst für die eigene Überwachung und für die Sicherheit der künftigen Patientinnen und Patienten.

Viele Operationen an Gelenken oder im Bauchraum werden heute bevorzugt minimalinvasiv durchgeführt. Statt über einen grossen Schnitt durch Haut und Gewebe erreichen Chirurgen die erkrankte Stelle mit Endoskopen, die sie durch winzige Hautschnitte einführen. Das ist für die Patientinnen und Patienten schonender. Darum will das Team des MIRACLE-Projekts um die Professoren Philippe Cattin und Hans-Florian Zeilhofer an der Universität Basel künftig minimalinvasive Operationen auch an Knochen möglich machen – mit einem robotergesteuerten Laserstrahl. Ein solches «Laser-Skalpell» schneidet äusserst fein und präzise, und zwar nicht nur gerade durch den Knochen hindurch, sondern auch in Bögen oder S-Formen. So lassen sich gebrochene Knochen derart bearbeiten, dass die Teile wie dreidimensionale Puzzleteile wieder zusammenpassen. Das führt dazu, dass die operierten Knochen schneller zusammenwachsen als bisher.

Immer kleiner und kontrollierter

Ihrem Ziel, ein Laser-Skalpell für die Knochenchirurgie zu entwickeln und dieses minimalinvasiv an die erkrankte Stelle zu bringen, kommen die Basler Forschenden immer näher. Zurzeit arbeiten sie an zwei Fronten: Erstens müssen die bisher entwickelten Laser-Technologien kleiner werden, damit sie in die Spitze des Endoskops passen. Und zweitens sollen miniaturisierte Sensoren in der Endoskop-Spitze laufend messen, wo genau sich das Laser-Skalpell im Körper des Patienten befindet. «Weil der Chirurg bei Eingriffen mit einem Endoskop nicht selbst sehen kann, was im Inneren des Körpers passiert, werden Technologien benötigt, die ihm beim Navigieren helfen», sagt Philippe Cattin. Für die Navigation haben die Forschenden neue optische Sensoren entwickelt. Diese sollen in die flexiblen, robotergesteuerten Gelenke der Laser-Endoskop-Spitze eingebaut werden und dort die Gelenkwinkel – und damit die Bewegungen des Endoskops – aufzeichnen. Cattin nimmt einen der etwa einen Zentimeter grossen Sensoren in die Hand und erklärt: «Im Inneren des Sensors sind elektrische Bauteile und winzige Spiegel so angeordnet, dass sie Winkel extrem präzise messen können. Das Prinzip funktioniert bereits, nun müssen wir die Sensoren nur noch etwas kleiner konstruieren, damit sie in die Gelenke der Laser-Endoskop-Spitze hineinpassen.»

Verlässlicher Winzling

Wie das Laser-Skalpell an der Endoskop-Spitze aussieht, zeigt Professor Georg Rauter, der Leiter der Robotik-Gruppe des MIRACLE-Projekts. Es ist ein richtiger kleiner Roboter und das eigentliche Herzstück des gesamten Systems. An den Seiten hat er zwei «Ärmchen», mit denen er sich am Knochen festhalten kann. Das verleiht ihm Stabilität und Präzision. Tests haben kürzlich gezeigt, dass der Roboter-Winzling Bewegungen auf mindestens ein viertel Millimeter genau ausführen kann. Der Laser kann allerdings nicht nur schneiden – vielmehr haben die MIRACLE-Laserphysiker ihn zu einem wahren Multitalent gemacht. So kann der Laser mittels sogenannter optischer Kohärenztomografie (englisch abgekürzt: OCT) beim Schneiden zeitgleich messen, wie tief er schon geschnitten hat. Ausserdem kann das System Gewebe charakterisieren. Denn das Laserlicht erzeugt je nach Gewebe unterschiedliche Lichtemissionen und akustische Signale. Diese misst das System und erkennt so, ob der Laser Knochen oder Nervengewebe, gesundes Gewebe oder einen Tumor schneidet. Kombiniert mit der OCT-Methode, die ebenfalls Hinweise auf die Gewebeart liefert, funktioniert das, schon kurz bevor der Laser schneidet. «Damit machen wir aus einem Laserstrahl, der eigentlich rigoros alles durchschneiden würde, ein schlaues und sicheres System, das nur das gewünschte Gewebe durch-
trennt», sagt der Leiter der Gruppe «Medizinische Laserphysik und Optik» Professor Azhar Zam. Eine Herausforderung ist es, das Laserlicht in die Endoskop-Spitze zu bringen. Denn herkömmliche Laserquellen passen unmöglich in ein Endoskop hinein. Darum muss die beträchtliche Laser-Energie, die für das Schneiden von Knochen nötig ist, entweder durch eine viel kleinere Quelle erzeugt oder von aussen durch ein dünnes Glasfaserkabel in die Endoskop-Spitze geleitet werden. Zur Lösung des Problems haben sich die Laser-Physiker verschiedene Ansätze überlegt, die sie nun weiterentwickeln und testen.

Operationen schlauer planen

Weiterentwickelt haben die Forschenden auch SpectoVR, ihre erfolgreiche Virtual-Reality-Software. Diese wandelt Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren wie CT oder MRI in virtuelle, dreidimensionale Bilder um, in die man mit einer Datenbrille eintauchen kann. «Das macht die Planung einfacher und intuitiver», sagt Cattin. «Wir erhalten von Ärztinnen und Ärzten, die SpectoVR bereits nutzen, extrem positive Feedbacks.» Doch damit nicht genug: Nun arbeitet das Team daran, zusätzlich Haptik einzubauen. Damit kann man die Aufnahmen dann nicht nur in 3-D sehen, sondern sogar ertasten. Im Labor des Robotik-Gruppenleiters Georg Rauter ist eine erste entsprechende Anlage aufgebaut, die das Team nun laufend weiterentwickelt. Schon jetzt lässt sich in der virtuellen Umgebung ein Rückenwirbel mit einem Stift, den man in der Hand hält, «erfühlen». Die Software rendert die originalen CT-Bilder haptisch und gibt einem an jeder Stelle den passenden Widerstand in die Hand – sodass sich die virtuelle Kopie wie ein realer Wirbel anfühlt. Das ist weltweit einzigartig. Aufgrund seiner vielen Erfolge wird MIRACLE ab dem Jahr 2022 ein zweites Mal von der Werner Siemens-Stiftung unterstützt.

Text: Santina Russo
Fotos: Oliver Lang