Foto einer Operation an einem Modell mit Laser und über Robert gesteuert
Operation am Oberarmknochen mit Laser und über Roboter gesteuert.

Knochen mit Laser operieren

An der Universität Basel arbeiten Forschende daran, Knochen minimal-invasiv zu operieren – mit Laserlicht und über Roboter gesteuert. Die Heilungszeit wäre deutlich kürzer und die Behandlung auch für Patienten mit schlechterem Allgemeinzustand geeignet. Die Werner Siemens-Stiftung unterstützt das MIRACLE genannte Projekt seit dem Jahr 2014.

Seit der Erfindung des Laserlichts Ende der 1950er-Jahre träumen Chirurgen davon, den scharf gebündelten Lichtstrahl auch zum Operieren von Knochen zu nutzen. Nach vielen Rückschlägen wollen Forschende der Universität Basel mit dem Projekt MIRACLE (Minimally Invasive Robot-Assisted Computer-Guided Laserosteotome) den Traum in den nächsten Jahren verwirklichen. Chirurgen sollen Knochen in Zukunft robotergesteuert mit Laserlicht operieren können, minimalinvasiv, dank einem sogenannten Laser-Osteotom.

Mehr Präzision

Ein Osteotom ist ein chirurgisches Gerät zum Durchtrennen von Knochen – etwa ein Meissel, ein Bohrer oder eine Knochensäge. Operationen mit Laserlicht hätten mehrere Vorteile. In erster Linie: mehr Präzision. Laserlicht kann Knochen viel präziser schneiden und ermöglicht auch komplexere Schnitte. Dadurch wachsen die Knochen nach der Operation schneller zusammen und müssen weniger aufwändig fixiert werden. Zudem erhitzt und zerstört der Laser das umliegende Gewebe nicht – im Gegensatz etwa zu einer Knochensäge. Ein weiterer Vorteil der geplanten Laser-Osteotomie: Bisherige Operationen erforderten einen offenen Zugang zum Knochen mit Hilfe eines oft grossen Hautschnittes. In Zukunft genügt ein kleines Loch in der Haut, um das Endoskop mit dem Laser einzuführen.

Schnellere Genesung

Die Laseroperationen führen somit zu einer kürzeren Aufenthaltszeit im Spital und einer schnelleren Genesung. Damit sind sie auch für Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand geeignet. Das ist umso wichtiger, als mit der steigenden Lebenserwartung Abnützungen an Knochen und Gelenken zunehmen werden.

Roboter mit 3-D-Navigation

Die neuartige Laser-Osteotomie wird sich beispielsweise für Operationen am Knie, Rücken und zur Entfernung von Tumoren aus Knochengewebe eignen. Im besten Fall lassen sich damit auch Knochen und Knorpel transplantieren.

Die Werner Siemens-Stiftung unterstützt das Projekt MIRACLE mit seinen vier Teilzielen: Laserlicht für die Operation von Knochen nutzbar machen. Einen Roboter für minimal-invasive Eingriffe entwickeln. Neuartige Technologien der 3-D-Navigation entwerfen, um den Roboter während des Eingriffs präzise zu führen. Massgeschneiderte Knochen-Implantate aus dem 3-D-Drucker entwickeln.

Interdisziplinäres Leuchtturmprojekt

MIRACLE ist ein Leuchtturmprojekt des Department of Biomedical Engineering der Universität Basel. Räumlich ist es im «Switzerland Innovation Park Basel Area» in Allschwil angesiedelt. Das interdisziplinäre Team mit rund dreissig Forschenden bringt das nötige Wissen aus Medizin und Naturwissenschaften zusammen.

Geleitet wird das Projekt von Philippe Cattin (Professor für Medizinische Bildanalyse) und Hans-Florian Zeilhofer (Leiter der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsspital Basel). Die Forschungsgruppe um Philippe Cattin hat langjährige Erfahrung im Bereich der medizinischen Bildverarbeitung. Cattin war von 2001 bis 2013 Leiter eines Projekts zur roboterbasierten Laser-Osteotomie im Nationalen Forschungsschwerpunkt «Computerunterstützte und bildgeführte medizinische Eingriffe» des Schweizerischen Nationalfonds. Hans-Florian Zeilhofer ist spezialisiert auf die 3-D-Planung von komplexen chirurgischen Eingriffen. Er hat die Forschung zur Laser-Osteotomie in den vergangenen 15 Jahren massgeblich geprägt. Gemeinsam entwickelten Cattin und Zeilhofer ein erstes Laser-Osteotomie-System für Operationen mit offenem Hautschnitt. Jetzt können die Forschenden auf ihrem Wissen aufbauen, um die komplett neuartige, minimalinvasive Technologie zu entwickeln.

Augmented Reality

Mit den Geldern der Werner Siemens-Stiftung konnte das Projektteam von MIRACLE um zwei Assistenzprofessuren ergänzt werden: Azhar Zam leitet die Gruppe «Medizinische Laserphysik und Optik» und Georg Rauter die Gruppe «Medizinrobotik und Mechatronik». Im Juni 2017 präsentierten die Forschenden den ersten Prototyp eines minimalinvasiven Laserroboters namens GG1. Fortschritte erzielten sie auch mit neuartigen Implantaten und in der 3-D-Navigation. Ihre neue Software SpectoVive erlaubt es, mittels 3-D-Ansichten des Körpers (Virtual Reality) Operationen schneller und realitätsnäher zu planen. Spezielle Brillen (Augmented Reality) erlauben es den Chirurgen zudem, sich während einer Operation virtuell im Körper des Patienten zu bewegen und so präziser zu operieren. Diese Fortschritte der Basler Forschenden sind nicht nur für die Laser-Osteotomie, sondern für die Chirurgie und Medizin allgemein interessant. Entsprechend sind aus dem Projekt MIRACLE in den letzten zwei Jahren bereits drei Spin-off-Firmen entstanden.

Der Zeitplan ist ehrgeizig: Bis 2021 wollen die Forschenden die robotergesteuerte Knochenoperation mit Laserlicht an Tierkadavern und gespendeten Menschenkörpern getestet haben. Bis 2025 soll die Laser-Osteotomie für die klinische Anwendung bereitstehen.

Text: Adrian Ritter
Fotos: Frank Brüderli