Foto mit Monika Fuchs
Sie weiss, wie man den Stoffwechsel von Mikroorganismen nutzen kann: Projektmanagerin Monika Fuchs aus dem 25-köpfigen Team der Synthetischen Biotechnologie an der Technischen Universität München.

Reichhaltige Mikroorganismen

Die Synthetische Biotechnologie sucht in der Natur gezielt nach Organismen, deren Stoffwechselprodukte für den Menschen interessant sein können – zum Beispiel nach ölproduzierenden Hefen und Algen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren diese Organismen und optimieren sie im Labor, bis die Stoffwechselprodukte so ausfallen, dass man sie zu chemischen Grundstoffen weiterverarbeiten kann. Ziel ist es, diese Grundstoffe industriell zu produzieren. Sie sollen fossile Brennstoffe und andere problematische Stoffe wie Palmöl ersetzen.

Die Verfahren der Synthetischen Biotechnologie sind so komplex, dass zwingend Spezialisten aus Chemie, Biotechnologie, Bioinformatik, Mikrobiologie, Genetik und Pharmazie eng und gut zusammenarbeiten müssen. An der Technischen Universität München (TUM) besteht das Team derzeit aus 25 Fachleuten. Unter der Leitung von Thomas Brück, Professor für Industrielle Biokatalyse, treiben sie die junge Disziplin voran – in Teilen finanziert von der Werner Siemens-Stiftung.

Weshalb wird dieser Aufwand betrieben, um Produkte wie Öl herzustellen, die es bereits gibt? Um diese Frage zu beantworten, muss man etwas weiter ausholen und das Gesamtbild betrachten. «Die Weltbevölkerung wächst bis 2050 um rund fünfzig Prozent, und mit ihr der Bedarf an Nahrungsmitteln und Energie», erklärt Thomas Brück, Inhaber der Werner Siemens-Stiftungsprofessur. «Wie wollen wir diesen Bedarf mit den bestehenden Ressourcen decken, ohne den Klimawandel in lebensbedrohliche Dimensionen zu treiben?» Denn würde das benötigte Plus an Nahrungsmitteln beispielsweise mit zusätzlichem Düngereinsatz erzielt, führte das zu einem höheren Ausstoss von Stickoxiden, was wiederum den Klimawandel anheizte. Würde die zusätzlich benötigte Energie – um zu heizen, mobil zu sein, Güter herzustellen – nach wie vor aus fossilen Brennstoffen stammen, dann würde der CO2-Ausstoss die Atmosphäre weiter gefährlich erwärmen. Würde die Energie stattdessen vermehrt aus Biomasse wie Soja oder Zuckerrohr gewonnen, fehlten diese wichtigen Grundnahrungsmittel für die Ernährung der vielen Menschen … Ein Teufelskreis.

Rohstoffkonflikte

Die Synthetische Biotechnologie will zur Lösung dieser Rohstoffkonflikte beitragen. Das Team um Thomas Brück sucht nach Ersatz für erdölbasierte Produkte wie Kerosin und Kunststoff. Es entwickelt auch Alternativen für unökologisch produzierte Öle wie Palmöl, ebenso für Biokraftstoff aus Soja oder anderen Pflanzen – denn Soja braucht man in der Welt von morgen besser für die Ernährung der vielen Menschen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen auch bisher nur begrenzt verfügbare Wirkstoffe wie das halbsynthetisch gewonnene Krebsmittel Taxol herstellen. Und schliesslich verfolgen sie auch das Ziel, funktionale Fette für Kosmetika (zum Beispiel Jojoba-Öl) zu produzieren sowie lebensnotwendige Omega-3-Fettsäuren, die ein wichtiger Bestandteil von Säuglingsnahrung sind.

Die Produktionsverfahren laufen CO2-neutral ab und haben das Ziel, kommende Generationen in die Lage zu versetzen, genügend Nahrung und Energie zu produzieren und den aktuellen Lebensstandard beizubehalten, ohne eine lebensbedrohliche Klimaerwärmung herbeizuführen.

Dieser Ansatz hat die Werner Siemens-Stiftung überzeugt. Sie finanziert seit 2016 an der Technischen Universität München den Aufbau der neuen Lehr- und Forschungsaktivitäten im Bereich der Synthetischen Biotechnologie. In diesem Rahmen ermöglicht sie auch die Erneuerung der Labor-Infrastruktur und initiiert die Einrichtung eines Schülerforschungszentrums, an dem Jugendliche vor dem Abitur mit ihren Lehrpersonen die junge Disziplin kennenlernen können.

Text: Brigitte Blöchlinger
Fotos: Felix Wey