Foto im Labor.
Welcher Stoff transportiert die Wärme im Erdinneren am besten an die Erdoberfläche? – CO2!

Aus Erdwärme wird Strom

Die Geothermie-Forschenden um Werner Siemens-Stiftungsprofessor Martin O. Saar arbeiten an einer völlig neuen Art der Stromerzeugung: Sie holen Tiefenwärme mit Hilfe von CO2 aus dem Untergrund und entfernen so gleichzeitig das schädliche Treibhausgas aus der Atmosphäre – was die Klimaerwärmung drosselt.

Tiefengeothermie-Kraftwerke könnten den Ausstoss von CO2 deutlich verringern helfen und grosse Mengen erneuerbarer Energie liefern, ist Martin O. Saar überzeugt. Doch in den meisten Gegenden der Welt, so auch in der Schweiz, muss bis zu 5 Kilometer tief gebohrt werden, um eine für die Energiegewinnung nützliche Temperatur zu erreichen. Da das Gestein in solchen Tiefen nahezu undurchlässig ist, wird versucht, mit eingepresstem Wasser das Gestein aufzubrechen, um die Wärme heraufzuholen – was allerdings Erdbeben auslösen kann. Bisher gibt es kein zufriedenstellendes Petrothermal-System für die Stromerzeugung.  

Wärmetransporter CO2

Vor einigen Jahren kam Professor Martin O. Saar zusammen mit einem Doktoranden in den USA auf die Idee, CO2 als Wärmetransporter einzusetzen. Denn CO2 hat unter einem bestimmten Druck im überkritischen Aggregatzustand besonders günstige Eigenschaften, um schon relativ geringe Wärme zu transportieren und durch Gestein hindurchzuströmen. Mit dieser innovativen Methode liesse sich die Erdwärme in der Tiefe an vielen Standorten nutzen und, was ebenso dringend ist, der CO2-Ausstoss in die Atmosphäre drosseln, indem das Treibhausgas permanent im Untergrund gelagert würde. Aus der Idee sind inzwischen ein Patent und eine Firma geworden. Martin O. Saar liess seine «Carbon Dioxide Plume Geothermal – CPG™»-Technologie patentieren und gründete die Firma «TerraCOH» in den USA, welche die CPG-Technologie vermarktet. Die Weiterentwicklung wird nun die neu gegründete Firma CO 2 POWER auch in Europa und weiteren Ländern kommerzialisieren; sie soll demnächst als ETH-Spin-off in Zürich starten. 

CO2-Turbine 

Derzeit entwickeln die Forschenden das erste Geothermie-Kraftwerk, das CO2 für den Wärmetransport aus der Tiefe nutzen soll und es darüber hinaus in grossen Mengen auch unterirdisch speichert. Zusammen mit einer internationalen Energiefirma entwickeln Martin O. Saar und sein 20-köpfiges Team eine CO2-Turbine für den neuen Kraftwerk-Typ. Der erste Test ist bereits für 2020 geplant und findet im geschlossenen Kreislauf an der Erdoberfläche statt. Später wird der CO2-Kreislauf auch durch den Untergrund geführt, wofür noch ein passender Standort auf der Welt gesucht wird – mit einem salzhaltigen und darum nicht nutzbaren Wasserreservoir in 2 bis 3 Kilometern Tiefe. Das CO2 wird in das Reservoir gepresst, erwärmt sich und wird dann wieder gefördert, damit es zur Energiegewinnung durch Turbinen geleitet werden kann. Anschliessend wird es in dasselbe Reservoir zurückgeführt.

Ultraeffiziente Erdbatterie

Doch damit lassen es die Forschenden um Martin O. Saar nicht bewenden. Sie entwickeln vielmehr ihre CPG-Technologie zu einer riesigen, ultra
effizienten Erdbatterie weiter und stehen damit kurz vor dem nächsten Patent. Die Erdbatterie soll anderen erneuerbaren Energien dienen – wie Wind- und Solarenergie, die nur zeitweise zur Verfügung stehen und daher einen Energiespeicher benötigen, um dauerhaft Energie bereitstellen zu können. Dieser Speicher kann als Teil des CO2-Geothermie-Kraftwerks (CPG) Energie von Stunden bis Monaten im Giga-Watt-Stunden-Bereich speichern. Zudem kommt bei der Freigabe durch die zusätzliche geothermische Energie dreimal soviel Energie aus dem Untergrund, wie man eingespeist hat.

Klimafreundliche Energiegewinnung

Laut der International Energy Agency (IEA) und dem Intergovernmental Panel on Climate Change gibt es auf der Erde genügend Reservoirs, um mehr als 100 Jahre lang alle vom Menschen verursachten CO2-Emissionen darin zu speichern. «Wenn nur ein Bruchteil davon mit einem CO2-Geothermie-Kraftwerk gekoppelt wäre und manche davon eine Erdbatterie hätten, wäre das ein erheblicher Beitrag sowohl zur Energiesicherung für die Menschheit als auch zur Reduzierung der Erderwärmung», ist Werner Siemens-Stiftungsprofessor Martin O. Saar überzeugt.

Text: Sabine Witt
Foto: Felix Wey