Wasser spalten leicht gemacht

Aus Wasser und Sonnenlicht wird Wasserstoff – in einem Schritt: Das WSS100-Finalprojekt «Solare Wertstoffe» schlägt vor, mittels neuartiger Reaktoren nachhaltige Energieträger und Wertstoffe zu produzieren.

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er sich ohne den Einsatz von fossiler Energie herstellen lässt. Am elegantesten wäre es, Wasser direkt, nur mit der Energie des Sonnenlichts, in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Genau dieses Prinzip steht im Zentrum des WSS100-Antrags eines Teams um Greta Patzke und David Tilley von der Universität Zürich. Die Forschenden haben ein Konzept ausgearbeitet, um die solare Erzeugung von Wasserstoff und anderen Wertstoffen zur Marktreife zu bringen.

Das Team konzentriert sich in seiner Forschung auf die Herstellung von sogenannten Solar-Particulate-Panel-Reaktoren (SPP-Reaktoren). Das sind, vereinfacht gesagt, neuartige, kostengünstige  «Solar-Panels», in denen Katalysatoren durch direkte Nutzung von Sonnenlicht Wasserstoff erzeugen. Dieser photokatalytische Ansatz wird auch als «goldener» Weg zur Herstellung von Solarbrennstoffen bezeichnet, der den «grünen» Weg der Verwendung weiterführt.

«Obwohl dieses Konzept bereits seit 100 Jahren weltweit Forschende fasziniert, steht der kommerzielle Durchbruch noch aus», sagt Greta Patzke. Studien zeigten jedoch, dass die solare Wasserstofferzeugung mittels solcher Katalysatoren heute wirtschaftlich konkurrenzfähig mit Wasserstoff sein kann, der unter Einsatz von fossiler Energie produziert wird. Das Team  hat bereits verschiedene Katalysatoren entwickelt, welche die Wasserspaltung enorm beschleunigen und effizienter machen. Und sie sind überzeugt, dass weitere, deutliche Steigerungen möglich sind.

 

Demonstration im Reaktor

Dazu erforschen sie neue Photokatalysatoren, die aus unterschiedlichen Materialien aufgebaut sind: solche aus Hightech-Halbleitermaterialien und solche aus graphen-ähnlichen Kohlenstoffnitriden. Letztere sind insbesondere auch deshalb attraktiv, weil sie aus Kohlenstoff und Stickstoff bestehen – zwei der häufigsten chemischen Elemente. Denn wichtig ist nicht nur die Umwandlungseffizienz. Die Panels sollen lange einsatzfähig bleiben und die Katalysatoren aus möglichst breit verfügbaren, kostengünstigen und umweltfreundlichen Grundstoffen bestehen – ganz nach dem Konzept «Benign by Design».

Die Forschenden möchten mit Demonstrationsreaktoren von jeweils mindestens 100 Quadratmetern Grösse aufzeigen, dass die «goldene» Wasserstoffproduktion technologisch funktioniert. Darauf aufbauend sollen die SPP-Reaktoren aber weiterentwickelt werden. «Wir können mit demselben Prinzip, aber anderen Reaktoren, den erzeugten Wasserstoff, CO2, Biomasse und andere Ausgangsstoffe in weitere wertvolle solare Basischemikalien umwandeln», sagt David Tilley. Beispiele sind Düngemittel oder erneuerbare Bausteine für die Kunststoffindustrie.

Herausforderungen auf dem Weg dorthin gibt es viele. Eine davon ist die Abtrennung und Reinigung des Wasserstoffs. Dazu plant das Forschungsteam die Weiterentwicklung einer neuen Technik, die auf Hydridkompressoren beruht: Wasserstoff wird bei niedriger Temperatur und tiefem Druck an modifizierte Metallhydride angelagert. Hat dieses System seine Sättigung erreicht, werden die Hydride erhitzt und setzen bei hohen Drücken reinen Wasserstoff frei.

Die KI hilft mit

Die Entwicklung neuartiger Technologien geht stets einher mit wirtschaftlichen, sozialen und Umweltrisiken. Und gerade solche Fragen sind oft dafür verantwortlich, dass aussichtsreiche Forschungsprojekte in der Umsetzung scheitern. Das Zürcher Team will deshalb ein allumfassendes, zukunftsweisendes Konzept zur Entwicklung neuer Technologien etablieren. Das reicht von der Wirtschaftlichkeit über internationale Verflechtungen und Auswirkungen auf Ökosysteme bis zur Akzeptanz durch Bürgerinnen und Bürger.

Um diese komplexen Beurteilungsfragen kümmern sich eigene Forschungsteams. Sie untersuchen unter anderem, ob die für die SPP-Reaktoren entwickelten Hightech-Materialien auf ihrem Weg langfristig doch Risiken für Mensch und Umwelt darstellen können. Auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Ökobilanzen, Abhängigkeiten von Lieferländern für kritische Rohstoffe und die öffentliche Wahrnehmung werden von Anfang an unter die Lupe genommen.

Zum Einsatz kommt dabei unter anderem auch ein neues, durch künstliche Intelligenz gesteuertes Werkzeug. «Damit können wir alle Faktoren berechnen und gewichten», sagt Greta Patzke. Das hilft auch dabei, von Anfang an auf die richtigen Ausgangsmaterialien zu setzen. Schneidet zum Beispiel ein Katalysator-Material A in allen Bewertungsbereichen besser ab als Material B, werden die Forschenden es bevorzugen.

So soll es künftig gelingen, Wasserstoff und andere Wertstoffe unkompliziert und umweltfreundlich zu erzeugen – sie buchstäblich aus der Luft zu greifen.